Das Jonastal – Geheimer Bauort, Ort der Zwangsarbeit, Ort des Gedenkens

Das Jonastal, ein abgelegenes Tal im Thüringer Wald bei Arnstadt und Ohrdruf, war zwischen 1944 und 1945 Schauplatz eines der größten, aber bis heute rätselhaftesten Bauprojekte des nationalsozialistischen Regimes. Im Zentrum des Vorhabens stand der massive Einsatz von Zwangsarbeitern, die unter schlimmsten Bedingungen unterirdische Stollenanlagen in den Berg treiben mussten. Das Tal wurde damit zu einem Kernort des KZ-Außenlagerkomplexes S III.

Im Sommer 1944, nach zunehmenden alliierten Bombenangriffen auf deutsche Städte, entschied die SS, Teile der Reichsregierung, militärische Führung und möglicherweise auch Waffenproduktion in unterirdische Anlagen zu verlagern. Unter dem Tarnnamen „Sonderbauvorhaben III“ (S III) begann man, im Jonastal ein weitverzweigtes unterirdisches Bunkersystem anzulegen.

Ziel war es wohl, einen bombensicheren Regierungssitz oder ein „Führerhauptquartier“ zu errichten. Offizielle Dokumente über die genaue Zweckbestimmung fehlen bis heute. Die Dimension des Projekts, die Geheimhaltung und der Aufwand deuten auf ein zentrales Vorhaben hin – möglicherweise sogar als Rückzugsort für die NS-Führung im Kriegsendspiel.

Die Arbeiten im Jonastal begannen im Spätsommer 1944. Innerhalb weniger Monate entstand eine Baustelle gigantischen Ausmaßes:

  • Schweres Gerät, Betonwerke, Feldbahnen und Materiallager wurden eingerichtet.
  • Insgesamt entstanden 25 Stollen, in vier Gruppen gegliedert, mit einer Gesamtstollenlänge von über 000 Metern.
  • Einzelne Stollen waren bis zu 160 Meter Etwa 620 Meter wurden bereits betoniert, was auf eine geplante dauerhafte Nutzung hindeutet. Die Infrastruktur umfasste Feldbahnschienen, Wasserleitungen, Belüftungseinrichtungen und Pumpstationen.

 

Die Arbeit leisteten fast ausschließlich KZ-Häftlinge, die aus den neu errichteten Außenlagern von Buchenwald, insbesondere Espenfeld, Crawinkel und Ohrdruf, täglich ins Tal getrieben wurden. Bewacht von der SS und organisiert durch die Organisation Todt, mussten sie unter Lebensgefahr arbeiten – unterirdisch, mit primitivem Werkzeug, bei unzureichender Ernährung und permanenter Gewaltandrohung.

Viele starben an Erschöpfung, Krankheit oder infolge von Misshandlungen. Die exakte Zahl der Opfer ist nicht bekannt, doch Schätzungen gehen von mehreren Tausend Toten im Umfeld des Projekts S III aus.

Im April 1945, kurz vor Kriegsende, wurden die Arbeiten abrupt eingestellt. Die SS begann mit der Räumung der Lager. Zurückgelassene Häftlinge wurden ermordet oder starben an den Folgen der Lagerhaft. Die US-Armee erreichte das Gebiet am 4. April 1945 und fand die Baustelle weitgehend unvollendet vor – aber mit deutlichen Spuren massiver Zwangsarbeit.

Nach dem Krieg wurden die Stollen durch sowjetische Truppen untersucht. Es kursierten viele Spekulationen über die angebliche Verlagerung von „Wunderwaffen“, Atomprojekten oder Kunstschätzen – Belege dafür fehlen. Fakt ist: Das Jonastal bleibt ein Symbol für den fanatischen Willen der NS-Führung, ihre Macht bis zum Letzten zu retten – auf dem Rücken zehntausender ausgebeuteter Menschenleben.

Heute sind die Stollen im Jonastal vermauert oder versiegelt. Einige Eingänge sind noch sichtbar, teils von Pflanzen überwachsen oder mit Warnschildern versehen. Auf den ersten Blick erscheint das Tal friedlich – doch unter der Erde liegt ein Zeugnis des nationalsozialistischen Vernichtungswillens.

Seit vielen Jahren widmet sich der Jonastalverein – Geschichts- und Technologiegesellschaft Großraum Jonastal e.V. (GTGJ) der umfassenden Dokumentation und historischen Aufarbeitung der Geschehnisse im Jonastal und des gesamten Lagerkomplexes S III.

Im Dokumentationszentrum in Arnstadt werden Ergebnisse dieser Arbeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

 

Ein Gedenkstein im Jonastal erinnert an die Opfer von S III und die namenlosen Toten, die hier litten und starben. Wanderwege und Infotafeln weisen heute auf die Geschichte hin. Trotzdem bleibt das Tal auch ein Ort der Verschwörungsmythen, die oft den Blick auf die wahren Opfer verstellen.

Das Jonastal steht exemplarisch für die menschenverachtende Ideologie des NS-Staates: Gigantismus, Geheimhaltung, Missachtung allen menschlichen Lebens. Die Erinnerung an diesen Ort ist Mahnung und Verantwortung zugleich – gegenüber der Vergangenheit und für die Zukunft.

 

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist verurteilt, sie zu wiederholen.“

https://www.tatort-jonastal.de/2019/04/06/der-tatort-jonastal-heute-vor-74-jahren/
https://www.gemeinde-geratal.de/stollenanlage-jonastal/